Abdrift trifft Sie meist unerwartet: Rückstände konventioneller Pflanzenschutzmittel von benachbarten Flächen können für ökologisch wirtschaftende Betriebe erhebliche Schäden mit sich bringen. In vielen Fällen können Sie einen finanziellen Ausgleich verlangen – entscheidend sind hier eine saubere Beweissicherung und die klare Darstellung des Falls. In diesem Beitrag erfahren Sie, wann Ansprüche bestehen, wer haftet und wie Sie vorgehen können, damit Ihr Betrieb keinen vermeidbaren Verlust trägt.
Was ist Pflanzenschutzmittelabdrift – und warum ist sie relevant?
Beim Spritzen bleiben die Wirkstoffe nicht vollständig auf dem Zielfeld. Wind, Düsentechnik, Fahrgeschwindigkeit oder zu geringe Randabstände können dazu führen, dass feinste Tropfen auf benachbarte Kulturen getragen werden.
Für Bio-Betriebe ist das besonders kritisch: Schon geringe Fremdstoffmengen können die Verkehrsfähigkeit als Bio-Produkt beeinträchtigen. Aber auch konventionelle Betriebe können betroffen sein – etwa durch qualitative Mängel oder Mindererträge.
Welche Ansprüche kommen in Betracht?
Grundsätzlich kommen zwei Arten von Ansprüchen in Betracht: ein Ausgleich wegen unzumutbarer Einwirkung oder ein Schadensersatz wegen Eigentumsverletzung.
Ausgleichsanspruch wegen unzumutbarer Einwirkung
Wenn die Abdrift Ihre übliche Bewirtschaftung oder Ihren Ertrag spürbar beeinträchtigt, können Sie einen angemessenen finanziellen Ausgleich verlangen. Juristisch stützt sich das auf § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB, je nach Einzelfall direkt oder analog.
Wichtig zu beachten ist:
Einwirkung: Chemische Pflanzenschutzmittel gelten als „Einwirkung“, wenn ihre Konzentration die Bewirtschaftung Ihrer Flächen, die anhand ökologischer Kriterien bewirtschaftet werden, beeinträchtigt.
Wesentlichkeit: Grenz- oder Richtwertüberschreitungen sind ein starkes Indiz dafür, dass die Beeinträchtigung wesentlich ist.
Wer haftet? Nicht nur derjenige, der die Pflanzenschutzbehandlung ausgeführt hat. Auch derjenige, dem der Ernteertrag zugute kommen soll, haftet als sogenannter Störer.
Schadenersatz wegen Eigentumsverletzung
Verliert ein Produkt durch die Kontamination beispielsweise seinen Bio-Status, kann das eine Eigentumsverletzung darstellen. Dann kommen Ansprüche nach § 823 Abs. 1 BGB in Betracht – zusätzlich oder alternativ zum Ausgleich oben.
Mitverschulden – was erwartet man von Ihnen?
Die Praxisfrage kommt oft: „Hätte ich Rucola oder andere sensible Kulturen überhaupt neben spritzmittelbedürftigen Beständen anbauen dürfen?“
Und die Antwort ist: Ja. Sie müssen keine Kulturen verlagern, keine Schutzwälle errichten und keine Sondervorkehrungen gegen mögliche Kontaminationen treffen – auch dann nicht, wenn Spritzmaßnahmen auf dem Nachbarfeld bekannt sind. Sie dürfen darauf vertrauen, dass der Nachbar technisch mögliche und wirtschaftlich zumutbare Vorkehrungen ergreift, um Abdrift zu vermeiden.
Der Hintergrund ist: Ökologischer und konventioneller Landbau sind jeweils zulässige Bewirtschaftungsarten, weshalb gegenseitige Rücksichtnahme geboten ist.
Beweislast – wer muss was belegen?
- Anwender des Mittels: Sie müssen belegen können, dass Sie die gute fachliche Praxis eingehalten und zumutbare Vorkehrungen getroffen haben, um Abdrift zu vermeiden, beispielsweise mit zugelassenem Gerät, abdriftsmindernden Düsen oder korrekten Randabständen. Gelingt das nicht, spricht eine Vermutung für eine schuldhafte Beeinträchtigung.
- Geschädigter Betrieb: Sie müssen Kontamination und Ursachenzusammenhang zur konkreten Anwendung nachweisen. Dies kann beispielsweise mit Unterstützung eines Sachverständigen, der Proben der kontaminierten Pflanzen nimmt, erfolgen. Außerdem kann das Gericht auf die Grundsätze des Anscheinsbeweis zurückgreifen. Dafür muss allerdings ausgeschlossen werden, dass ein Dritter als Verursacher nicht in Betracht kommt.
Pflanzenschutzmittelabdrift: So gehen Sie vor
- Sofort dokumentieren: Notieren Sie Datum und Uhrzeit sowie die betroffenen Flächen, machen Sie Fotos, dokumentieren Sie Wetter- und Windberichte des entsprechenden Zeitraums ab sowie die Lage der Nachbarfläche.
- Beprobung veranlassen: Lassen Sie zeitnah mehrere, repräsentative Proben nehmen, idealerweise unter sachverständiger Begleitung. Kartieren Sie die Entnahmestellen und beschriften Sie die Proben.
- Nachbar ansprechen & protokollieren: Sprechen Sie den benachbarten Landwirt auf die mögliche Kontamination an und klären Sie Wirkstoff, Gerät, Düsenspezifikationen und Randabstände.
- Unterlagen sichern: Speichern Sie Ihre eigenen Betriebsdaten, wie etwa Kultur, Reife, geplanter Erntetermin.
- Rechtsprüfung & Anspruchshöhe klären: Klären Sie mit einem Fachanwalt oder einer Fachanwältin, welche Anspruchsgrundlage greift, lassen Sie den Schaden kalkulieren (Ernteausfall, Mindererlös, notwendige Zusatzkosten) und stimmen Sie Fristen und weitere Schritte ab.
Wie wird der Ausgleich berechnet?
Die Berechnung richtet sich nach der Anspruchsgrundlage: Beim verschuldensunabhängigen Ausgleich erfolgt die Bemessung nach den Grundsätzen der Enteignungsentschädigung, d. h. sie orientiert sich am wirtschaftlichen Nachteil: Es wird ersetzt, was durch die Beeinträchtigung tatsächlich an Vermögen fehlt, z. B. Ernteausfall oder Mindererlös. Beim verschuldensabhängigen Schadensersatz gilt die Differenzhypothese, also ein Vergleich: Wie stünde Ihr Vermögen ohne die Abdrift vs. mit Abdrift? Die Differenz ist der Schaden.
Fazit & nächste Schritte
Pflanzenschutzmittelabdrift ist kein Risiko, das Sie einfach hinnehmen müssen. Handeln Sie zügig: Sichern Sie Beweise und lassen Sie den Fall rechtlich bewerten. Nehmen Sie Kontakt zu uns auf – wir helfen Ihnen gern dabei.